Kastrationstrauma lösen mit Pferdeosteopathie

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Kastrationstrauma auflösen mithilfe von Osteopathie

Das Kastrationstrauma auflösen – das klingt irgendwie nach Hokus Pokus und erinnert an Freuds Psychoanalyse. Das habe ich zumindest gedacht, als ich das erste Mal davon gehört habe. Doch weil bei uns am Stall so viele Wallachbesitzer ganz begeistert davon sprachen, wollte ich mehr darüber wissen und erfahren, was das Kastrationstrauma ist und wie es aufgelöst werden kann. Deswegen habe auch ich mich mit der Pferdeosteopathin Selina Dörling getroffen und sie gebeten, mir anhand meines Pferdes etwas mehr über dieses Thema zu erzählen.

[Dieser Beitrag enthält Werbung, weil er über die Behandlung von Pferdeosteopathin Selina Dörling berichtet.] Seit einigen Jahren haben mein Pony und ich regelmäßig Besuch von Pferdeosteopathen. Dabei habe ich erfahren, wie vielfältig die Osteopathie ist. Denn nachdem meine erste Osteopathin weggezog, musste ich mir Ersatz suchen. Hier fiel mir ein großer Behandlungsunterschied auf. Während die erste Osteopathin scheinbar mit Handauflegen, also mit kaum sichtbaren, minimalen Bewegungen gearbeitet und so die Selbstheilungskräfte des Körpers angeregt hat, waren die Sitzungen bei der zweiten Osteopathin viel körperbetoner, sie bewegte die Gliedmaßen meines Pferdes beispielsweise sehr viel.

Osteopathie ist nicht gleich Osteopathie

So verschieden die Behandlungen der beiden Osteopathen waren, so sehr unterschieden sie sich noch einmal stark von der Behandlung durch Selina Dörling. Als ich sie darauf ansprach, erklärte sie mir, dass es in der Osteopathie verschiedene Richtungen gibt: die parietale Osteopathie, die sich mit dem Bewegungsapparat inkl. Bindegewebe, Muskulatur und Gelenken befasst, die viszerale Osteopathie für die inneren Organe und deren bindegewebige Aufhängung und dem Ziel, den Körper dabei zu unterstützen, seinen harmonischen Rhythmus wiederzugelangen, sowie die craniosakrale Osteopathie, die den Fokus legt auf Schädel (Cranium), Kreuzbein (Sacrum), Wirbelsäule und das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark). Wesentliches Element des craniosacralen Systems ist die Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit. Selinas Schwerpunkt ist die viszerale Osteopathie, also die Behandlung der Organe. Hier liege die Ursache für die meisten Wirbelsäulen-Probleme, ist sie überzeugt. Weil bei Pferden anders als bei uns Menschen die Bauchdeckenspannung sehr stark ist, ist die viszerale Osteopathie nur möglich, wenn der Pferdeosteopath die genaue anatomische Lage und die Bewegung jedes einzelnen Organs kennt und um die Verbindung zur Wirbelsäule und der nervalen Versorgung weiß. Dabei arbeitet sie ganzheitlich und betrachtet bei der Behandlung alle Strukturen des Körpers: die Gelenke, die Muskeln, das Bindegewebe, die Organe, die Körperflüssigkeiten und die Psyche. Denn nur wenn alle Systeme des Körpers funktionieren, kann das Gleichgewicht wiederhergestellt werden.

Kastration – ein Eingriff in das funktionierende Körpersystem

Wird ein Hengst kastriert, dann wird damit sein ganzes funktionierendes Körpersystem auf den Kopf gestellt. Der Energiefluss wird unterbrochen. Die Kastration stellt deswegen für jeden Wallach ein Trauma dar, physisch und psychisch, ganz gleich wie unkompliziert sie verläuft. Psychisch verändert sich durch die Kastration jede Menge, vor allem in Bezug auf die geschlechtstypischen Verhaltensweisen. Durch das Entfernen der Hoden wird die Testosteronproduktion reduziert. Testosteron ist verantwortlich für sexuell motivierte Verhaltensweisen, Aggressionsbereitschaft und Aktivität. Die meisten Wallache werden nach der Kastration deswegen ruhiger, wie Pferde-Ethologin Marlitt Wendt hier schreibt. Doch auch auf der körperlichen Ebene wirkt die Kastration nach – und dies wird häufig gar nicht bedacht. Eine Kastration bringt eine Narbe mit sich. Die Entzündungsstoffe, die bei dem operativen Eingriff gebildet werden, sorgen für Verklebungen zwischen den Hautschichten, Muskelschichten und dem Fasziengewebe. Das kann zu Schmerzen und Spannung führen.

Der Einfluss der Kastration auf das Becken-Diaphragma

Pferde, so erklärt Selina, haben ein sehr langes Schmerzgedächtnis. Bei der Kastration trenne sich das Pferd mental von seiner Hinterhand. Es laufe in Folge der Kastration beispielsweise breitbeinig, sehr eng oder es zieht sich nach oben wie bei einem Katzenbuckel. Es habe Probleme, seine Hinterhand korrekt einzusetzen. Damit beeinträchtigt eine Kastration langfristig die Funktion des Craniosakralsystems und die Beweglichkeit des Becken-Diaphragmas (Beckenzwerchfell) negativ. Das Beckenzwerchfell läuft vom Schambein zum Kreuzdarmbein und steht in Verbindung mit den Organen des Urogenitaltrakts. Der vordere Teil des Becken-Diaphragmas ist die Begrenzung zum Bauchraum. Dieser Bereich wird durch die Kastration in seiner Eigenbewegung gestört. Das Becken-Diaphragma wiederum hat einen großen Einfluss auf die Beweglichkeit des Kreuzbeins und der Schwanzwirbel. Ist also das Beckenzwerchfell in seiner Beweglichkeit negativ beeinträchtigt, kann das zu einer Blockade des Kreuz-Darmbeins und der Lendenwirbelsäule und damit zu Dysbalancen im Bewegungsablauf führen. Eine mögliche Folge wäre hierbei eine inaktive Hinterhand. Die Blockaden der Wirbelsäule, so erklärt es die Pferdeosteopathin, sind das Symptom. Die eigentliche Ursache ist aber die Bewegungseinschränkung des Beckenzwerchfells.

Den Körper immer als Ganzes betrachten

Ist die Hinterhand blockiert, läuft ein Pferd auf der Vorhand. Deswegen muss bei jeder Behandlung das Pferd als Ganzes betrachtet werden.
Ist die Hinterhand blockiert, läuft ein Pferd auf der Vorhand. Deswegen muss bei jeder Behandlung das Pferd als Ganzes betrachtet werden.

Das Kreuz-Darmbein-Gelenk, auch Iliosacralgelenk (ISG) genannt, befindet sich direkt unter dem höchsten Punkt der Kruppe und verbindet die Knochen des Beckengürtels mit dem Rumpf und überträgt die Kräfte und Bewegungsimpulse der Hinterhand nach vorne auf die Wirbelsäule und den Rumpf. Die einzelnen Körperteile sind also miteinander verbunden, deswegen können sie auch nie getrennt voneinander behandelt werden. Ist die Hinterhand aufgrund einer Blockade im ISG oder einem festen Becken-Diaphragma inaktiv, wird die Vorhand stärker belastet, was weitere Blockaden im Atlas, in der Halswirbelsäule, der Brustwirbelsäule und im Brustbein mit sich bringt. Dies wiederum führt zu Druck auf den Kopf und damit zu Kopfschmerzen. Umgekehrt kann das genau so sein und eine Blockade im Halswirbelbereich kann zu einer inaktiven Hinterhand führen. Wird bei der Behandlung nur auf die Hinterhand geguckt, wird zwar das sichtbare Symptom kurzfristig behoben, langfristig wird das Problem aber so lange immer wieder auftauchen, bis die eigentliche Ursache, also die Blockade im Halswirbelbereich, gefunden und behoben wurde. Ursache und Wirkung (sichtbares Symptom) stehen also nicht immer im direkten Zusammenhang. Diesen Behandlungsaspekt fand ich besonders interessant, weil diese Punkte – Kreuz-Darmbeingelenk, Atlas, Brust und Widerist – bei den vorherigen osteopathischen Behandlungen meines Pferdes bereits Thema waren, ohne dass die Probleme effektiv und langfristig gelöst werden konnten. Als ich Selina darauf ansprach, erklärte sie mir, dass sie bei neuen Patienten fast immer mit Problemen im Bereich des Kreuzdarmbeins zu tun habe. Ihr sei lange Zeit nicht klar gewesen sei, warum. Diese Unwissenheit störte sie, denn sie wollte die Symptome schließlich nicht nur lindern, sondern die Ursache finden und das Problem von Grund auf lösen. Hierbei ist sie auf die Bewegungseinschränkung des Becken-Diaphragmas gestoßen, das bei Wallachen fast immer mit der Kastrationsnarbe zusammenhängt. Sie fing an, die Kastrationsnarbe zu entstören sowie das Beckenzwerchfell und damit das Kastrationstrauma zu lösen. Außerdem erklärte sie mir, warum sie das Einrenken von Gelenken, wie es häufig von Osteopathen und Chiropraktikern praktiziert werde, häufig nicht als sinnvoll erachte: Beim Einrenken werde ein Impuls ausgesandt, den der Körper nicht umsetzen kann. Für den Körper ist das ein Schreck und er kann diese Veränderung, die beispielsweise dadurch hervorgerufen wird, dass Muskeln auseinandergezogen werden, nicht halten. Der Muskel zieht sich wieder zurück und das Problem bleibt bestehen. Erst wenn die eigentliche Ursache gefunden ist, kann das Problem behoben werden. Das, was so mancher Knochenbrecher (vor laufender Kamera) praktiziert, kann, wenn man Selina glaubt, also niemals gut sein.

Zusammenhang von Wirbelsäule und Organen

Doch nicht nur Bewegungseinschränkungen werden durch nicht gelöste Kastrationstraumata verursacht, sondern auch organische Probleme. Denn: Wird der natürliche Körperstrom, der aus Blut, Lymphen und Rückenmark-Flüssigkeit besteht, durch eine eingeschränkte Beweglichkeit behindert, dann wird das Gewebe weniger gut durchblutet. Der Stoffwechsel wird gestört, was wiederum negative Auswirkungen auf Organe und andere Strukturen des Körpers hat. Und: Ist die Hinterhand blockiert, dann wird auch die Eigenbewegung der inneren Organe gestört. Das führt zu vielen Stoffwechselkrankheiten wie Kotwasser, Durchfall, Husten usw. Umgekehrt zeigen sich Organprobleme als Wirbelsäulenprobleme. Beide Bereiche sollten daher nie getrennt voneinander betrachtet werden. Das Zwerchfell ist eine große Platte aus Muskeln und Sehnen. Es trennt den Brustkorb von der Bauchhöhle. Das Zwerchfell ist der wichtigste Atemmuskel. Nachdem Selina das Kastrationstrauma und so das Becken-Diaphragma gelöst hatte, konnte ich eine Veränderung beim Atmen erkennen. Der Körper füllte und bewegte sich plötzlich viel mehr.

Osteopathische Behandlung beim Pferd

Kastrationstrauma auflösen mit Unwinding-Technik

Selina hat bei ihrer Behandlung erfühlt, wie beweglich bzw. wie fest das Becken-Diaphragma ist. Dann hat sie es mithilfe der Unwinding-Technik in der Tiefe über die Organe, die Bänder und die Faszien gelöst. Die Unwinding-Technik ist Teil der craniosacralen Osteopathie. Die craniosacrale Lehre geht davon aus, dass jedes Gewebe ein eigenes Gedächtnis besitzt und sich beispielsweise Schmerzen in Folge von Unfällen und Operationen, sowie Verspannungen und Verhärtungen merken kann. Außerdem kann es sich merken, was zur Linderung der Schmerzen beigetragen hat. Bei der Unwinding-Technik handelt es sich – ganz einfach gesagt – um ein Zurückwinden des Gewebes und ein Lösen von Traumata, Schmerzen und Schocks. Selina erklärt mir, dass das Gewebe hierbei tun kann, was es will. Es macht damit die Erfahrung des schmerzfreien, idealen Zustandes. Diese neue Erinnerung kann es dann anstelle der alten Erfahrung einsetzen.

Die Veränderungen nach der Behandlung

Am Ende der Behandlung konnte ich sofort erste optische Veränderungen wahrnehmen: Die Form der Kruppe hatte sich verändert, die leichte Erhebung, die an einen Katzenbuckel erinnerte und von der mir bereits gesagt wurde sie sei ein leichter Karpfenrücken, war weg Sleipi trat besser unter. Außerdem schien ihm plötzlich der Kopf sehr stark zu jucken. So zeigte er, dass der Energiefluss, der vorher gestört war, wieder funktionierte und sämtliche Körperteile ausreichend durchblutete. Auch der gesamte Muskeltonus änderte sich sofort sichtbar. Als ich ein paar Tage später wieder reiten durfe konnte ich feststellen, dass ihm das Dehnen und Strecken bei aktiver Hinterhand deutlich leichter fiel und dass die Hinterhand generell sehr viel lockerer war als vorher und er den Schweif viel entspannter trug. Auch psychisch konnte ich ein paar Veränderungen bemerken. Während der Behandlung musste ich Sleipi immer wieder eine Runde über den Hof führen. Das war für uns Außenstehende sehr amüsant, denn wir hatten das Gefühl, als würde er vieles zum ersten Mal sehen. Es schien, als habe er plötzlich eine ganz neue Wahrnehmung. Hier habe ich mich an meine osteopathische Behandlung erinnert, nach der es mir auch so ging und über die ich hier geschrieben habe. Während der gesamten Behandlung lag der Fokus auf dem Lösen des Kastrationstraumatas. Doch Selina behandelt nicht nur das Becken-Diaphragma von Wallachen: Auch bei Stuten kann das Beckenzwerchfell eingeschränkt sein. Bei ihnen steht es in Verbindung mit der Gebärmutter und mögliche Folgen sind zum Beispiel Probleme mit der Rosse oder Probleme tragend zu werden. Wenn du mehr über die Arbeit von Pferdeosteopathin Selina Dörling erfahren möchtest, dann schau doch einfach auf ihrer Internetseite vorbei. Sie ist zwar überwiegend im Raum Hamburg, Schleswig-Holstein (Pinneberg) unterwegs, sie arbeitet aber auch deutschlandweit und möglicherweise kann sie auch zu dir und deinem Pferd kommen.

Osteopathie Selina Dörling

Übrigens: Von Selina stammt auch der Behandlungspass für Pferde, den ich dir hier vorgestellt habe und der im Anschluss an die Behandlung selbstverständlich zum Einsatz kam. Und nun bin ich neugierig: Hast du schon einmal vom Kastrationstrauma gehört? Hast du dein Pferd vielleicht selbst schon in diese Richtung behandeln lassen? Ich freue mich, wenn du mir im Kommentar von deinen Erfahrungen und Gedanken erzählst. Viele Grüße

Signatur von Karolina Kardel, Autorin und Inhaberin von 360° Pferd

Zum Weiterlesen:

Renate Ettl: Manuelle Pferdetherapie: Das Praxisbuch für Osteopathie und Physiotherapie*:

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Brigitte Bäcker: Kraniosakrale Therapie bei Pferden: Grundlagen und Praxis*

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Gillian Higgins: Anatomie verstehen – Die Organe des Pferdes: Das Innere des Pferdes sichtbar gemacht*

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Two Toned – Dein Pferd in Balance: Die Chakren des Pferdes

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5 Kommentare zu „Kastrationstrauma auflösen mithilfe von Osteopathie“

    1. Das wäre für sehr, sehr viele Wallache bzw. Hengste in Hinblick auf Haltung und Umgang sicherlich die schlechteste Lösung. Natürlich entspricht die Kastration nicht ihrer Natur (genau wie bei Katzen und Hunden) aber wir Menschen haben die Tiere domestiziert und gar nichts von dem, was heute „normal“ ist, ist natürlich. Also müssen wir schauen, dass wir ihnen das ohnehin unnatürliche Leben so stressfrei wie möglich zu gestalten. Und hier gehört die Kastration leider mit dazu.

  1. Das ist superinteressant ich finde meinen Bub hier absolut wieder. Er ist in osteopatischer Behandlung und es wird auch als Problem die Kastration angenommen …

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